Montag, 10. November 2008

Die Liebe ist stärker??


„Die Liebe ist stärker als der Hass.“ An jedem großen Kreisverkehr in Managua kann man dieser Tage diese Botschaft in riesigen Buchstaben lesen. Eigentlich eine schöne Botschaft. Eine versöhnliche Botschaft, die Heilung, Frieden und Miteinander verspricht. Doch was an dieser Botschaft leider faul ist, ist, dass sie von der Regierung Nicaraguas dort installiert wurde. Einer Regierung, die Versöhnung und Einheit versprochen hat, der jedoch etwas Wesentliches fehlt: Kritikfähigkeit. Und so wird so gut wie jeder, der es wagt, sich kritisch, sei es auch noch so konstruktiv, zu äußern, mit Schmähungen, Benachteiligungen und eben Hass bedacht. Diese Regierung rund um Ex-Revolutionsführer und jetzigem Präsidenten Daniel Ortega agiert abgehoben und mit einer gehörigen Portion Verfolgungswahn.

An den Kreisverkehren stehen nun schon seit über zwei Monaten jeden Tag und jede Nacht dutzende Menschen, die fahnenschwingend, liedersingend oder schlafend die Botschaft der Liebe verkünden sollen. Der Großteil dieser Menschen sind keine Anhänger der Partei (FSLN), wie man vielleicht vermuten könnte. Sie sind zumeist religiös motiviert und von ihren Kirchen zu der Aktion überzeugt worden. Überzeugendes Argument für das Ausharren auf hartem Boden, für das in der Regenzeit nur von einem Zeltdach dürftig geschützt Sein und für das tagelange Einatmen von Abgasen, ist auch das Geld, dass von der Regierung dafür gezahlt wird. Rund 100 Cordoba am Tag (ca. 3 Euro) und drei Mahlzeiten sind für die Ärmsten der Gesellschaft Argument genug. Wer seit Monaten arbeitslos ist und nicht weiß, wie er seine Familie versorgen soll, ist froh über diese Aufgabe. Aus politischer Überzeugung stehen die wenigsten von ihnen am Kreisverkehr.

Die Regierung hat sich auch nicht davor gescheut, bei den Allerärmsten, bei den Vergessenen, den Verlorenen ihre „Unterstützer auf Zeit“ zu suchen. In Managua leben in wackeligen Wellblechbehausungen, unter Plastikplanen, in den schlimmsten hygienischen Vorraussetzungen rund 1200 Menschen auf engstem Raum. Das riesige „Zeltlager“ steht nun seit drei Jahren nahe dem ehemaligen Zentrum Managuas, vor der nicaraguanischen Nationalversammlung. Die Menschen, die dort leben, repräsentieren einen stummen Protest, einen schweigenden Kampf. Sie sind ehemalige Bananenarbeiter und Bananenarbeiterinnen aus der Region Chinandega, im Norden Nicaraguas. Ihre jahrelange Arbeit mit dem Pestizid „Nemagon“ hatte verheerende gesundheitliche Folgen. Nemagon greift Hormon bildende Organe (Schildrüse etc.) an. Die einzelnen Krankheitsbilder gehen von Haar- und Fingernagelausfall über Migräne und Verlust der Sehkraft bis hin zu Nieren- und Magenkrebs. Die Frauen sind darüber hinaus von Gebärmutter- und Brustkrebs sowie Fehlgeburten betroffen, während 67 Prozent der Männer als steril gelten. Vor Gericht hatte man schon Erfolg gegen die Großkonzerne. Standard Fruit (Dole), Del Monte und United Fruit (Chiquita) weigern sich jedoch schlichtweg die 490 Millionen US-Dollar Entschädigung zu zahlen.

Die Regierung Nicaraguas hat eine monatliche Rente für die Pestizid-Opfer versprochen. Ein Versprechen, das bis heute nicht gehalten wurde. Stattdessen werden die Menschen für den fadenscheinigen Kampf gegen den Hass benutzt. Diese bittere Ironie ist kaum zu ertragen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Puh, traurig aber gleichzeitig auch spannend Deine politischere "coverage"!

Liebe Grüsse aus Obamaland,
andreas