Freitag, 19. September 2008

Ein Jahr nach Felix


APA-Meldung vom 8. September 2007: "Vier Tage nach dem Durchzug des zerstörerischen Hurrikans "Felix" über Nicaragua gab es am Samstag noch immer große Verwirrung über die Opferzahlen. Präsident Daniel Ortega sprach von 52 Toten, betonte aber zugleich, es seien "viel mehr" und riet den Überlebenden, "auf Gott zu vertrauen". Nationale Medien addierten die verschiedenen Angaben von Suchmannschaften und berichteten von etwa 170 Todesopfern. Major Carlos Solano vom Komitee für Spezialeinsätze der Streitkräfte Nicaraguas sprach sogar von bis zu 3.000 Menschen, die möglicherweise ums Leben kamen."

Wen von euch hat diese Meldung eigentlich wirklich interessiert? Ich kann mich erinnern, auf news.at über Hurrikan Felix berichtet zu haben, aber groß hatten wir das sicher nicht auf der Seite. Wen interessieren auch ein paar hundert (oder mehr) Tote in irgendeinem Land in Zentralamerika und noch dazu wenn die Opfer Ureinwohner sind...

Einen anderen Bezug bekommt man da, wenn man plötzlich genau in so einem betroffenen Dorf steht, das vor einem Jahr völlig zerstört wurde. In Krukira an der Miskito-Küste liegen die ausgerissenen Bäume noch da, nur ein Teil der Häuser wurden notdurftig wieder aufgebaut. Früher wurden Gäste mit einer frischen Kokosnuss empfangen, doch von den Palmen sind nur mehr ein paar übrig. Alle Kühe sind tot. Die Orangenbäume hat es weggeweht. Die Ernten vernichtet. Zum Essen bleibt Fisch, Yuka und abundzu ein Huhn oder ein Schwein. Das Dorf wirkt gespenstisch und verlassen, obwohl dort einige dutzend Menschen leben. Verlassen und abgeschnitten von der Außenwelt sind die Bewohner da auch wirklich. Deshalb kam auch die Warnung, die Information über die drohende Hurrikankatastrophe viel zu spät. Viele Fischer hat es auf offenem Meer erwischt.

Der Großteil der Hilfslieferungen hat es gar nicht erst nach Krukira geschafft. Die Güter landeten auf irgendwelchen Märkten Nicaraguas oder wasauchimmer. Koruption macht auch vor Notlagen nicht halt.

Drei Tage in Puerto Cabezas, am anderen Ende Nicaraguas und damit irgendwie am anderen Ende der Welt. Faszinierendes, interessantes Leben. Wieder ganz anders als Bluefields, irgendwie wilder, entrischer, aber auch irgendwie schöner. Der Strand fast wie aus einem Karibikprospekt wird als Müllhalde benutzt. Bizarr.

Donnerstag, 4. September 2008

Lesen

Wer liest, reist durch die ganze Welt, taucht in ferne Länder, fremde Kulturen und neue Horizonte ein. Lesen durchbricht Grenzen, weitet die Enge des Alltags, eröffnet unendliche Möglichkeiten, erweckt Träume und Fantasien. Lesen fördert Entwicklung. Wer liest, verändert sich, wird kritisch, autonom, aktiv und offen. Wer liest, lernt sich auszudrücken, kann die Geschichte seines Lebens erzählen.

Für mich hat Lesen genau diesen Stellenwert. Die Idee war daher, hier in Nicaragua ein Projekt umzusetzen, das Lesen ermöglicht. Angeboten hat sich dafür das Dorfentwicklungsprojekt Malacatoya - Los Angeles. Nachdem ich ein Konzept für die Einrichtung einer Bibliothek geschrieben hatte, hatte ich das unglaubliche Glück über persönlichen Kontakt eine großzügige Starthilfe aus der Steiermark zu erhalten. Im Konzept mit drinnen stand eine Kooperation mit "Libros para Ninos", der genialen Organisation, die ich ja im Juni besucht habe. Und auch das klappt.

Sprich ich hatte alles: Die finanzielle Unterstützung, den Partner, Bücher, Möbel, alles. Nur fehlte das Allerwichtigste: Die Unterstützung der Bevölkerung vor Ort. Genau das ist doch das Problem so vieler Projekte hier: Dass irgendwelche Extranjeros, die glauben, eine gute Idee zu haben, die aus ihrer westlichen Sichtweise heraus zu wissen meinen, was die Menschen hier brauchen, die aus ihren eigenen Erfahrungen heraus (z.B. dem bereichernden Umgang mit Büchern von kleinauf an) wollen, dass die Menschen hier dieselben Erfahrungen machen, irgendwelche Projekte ins Leben rufen, denen der Rückhalt in der Bevölkerung fehlt, weil vielleicht eben gar kein Bedarf dafür da ist.

Doch meine Besuche in der Gemeinde sind gut verlaufen. Ich stieß auf Begeisterung und großes Interesse. Gestern kam es dann zur Reunion mit Lehrern, Eltern, Vertretern des Gemeinderats etc., die von "Libros para Ninos" geleitet wurde. Es fehlen nur mehr Details und schon kann in Malacatoya - Los Angeles viel mehr als bisher gelesen werden! Ich bin überwältigt. "Libros para Ninos" übernimmt den Großteil der Organisation, die Casa de los Tres Mundos unterstützt sie dabei und setzt eigene Aktivitäten. Natürlich entstehen laufende Kosten, für die es einer Finanzierung bedarf, die noch gefunden werden muss. Ich bin aber auch diesbezüglich guter Dinge. Ich hoffe, zum fulminanten Einweihungsfest kommt es noch, bevor ich die Rückreise antrete.

Tja, ansonsten. Wohne jetzt in Managua. Mir gefällt mein Pendlerinnen-Dasein. Im Bus nach Granada bleibt ca. eine Stunde Zeit zum Nachdenken, Träumen, Reflektieren und Schlafen. Und diese Landschaft jeden Tag an mir vorbeiziehen zu sehen, gibt mir jedes Mal das Gefühl genau da zu sein, wo ich gerade sein will.